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Der Roman von seiner Entstehung bis heute

Das literarische Leben der Gegenwart wird in starkem Maße vom Roman geprägt, der sich in einem auffällig kurzen Prozess seine Vorrangstellung erobert hat, sozusagen aus dem Nichts. Um 1740 erschienen jährlich in Deutschland ungefähr 10 Romane, denen kaum eine Bedeutung geschenkt wurde - der Roman zählte damals offiziell nicht zur Dichtung. Doch in den folgenden Jahren nahm seine Bedeutung immer mehr zu, und allmählich fand er auch als Kunstgattung Anerkennung. Im Jahr 1770 erschienen schon 100 neue Romane, um 1785 waren es dann jährlich 300 und um 1800 bereits 500 Neuerscheinungen. Das Analphabetentum sank, und die laufende Vermehrung des Lesepublikums trug einen guten Teil zum Erfolg des Romans bei. Im 20. Jahrhundert erscheinen in Deutschland im Jahresdurchschnitt bereits rund 2000 Romane. Niemals hat der Roman für die klassische Stillehre zu den literarischen Gattungen gezählt. Eine Einheit von Ort und Zeit kennt er nicht. Er kann ein Sammelsurium von allem sein. Demnach ist es auch nicht so leicht, von ihm einen genauen Begriff zu bestimmen. Auch der Inhalt und die Sprache können chaotisch sein. Hier findet sich alles, Künste, Wissenschaften, Berufe, die ganze Geschichte, Philosophie und Religion. Dennoch haben die Romane nichts mit Formlosigkeit zu tun. Es gibt sowohl einfältige wie anspruchsvolle. Wirkt der Roman auch noch so formlos, so ist er doch von innen her einer strengeren Form unterworfen. Dies ist auch der Grund, warum er über Jahrhunderte hinweg ein Schattendasein führte. Im 17. Jahrhundert galt in Europa der Roman noch als Lesestoff für das „mütige“ Frauenzimmer und den verbummelten Studenten. Ein weiteres Kennzeichen des Romans ist seine Breite. Er scheut sich von Umwegen und Einlagen nicht, auch wenn sie sich dem gradlinigen Gang des Geschehens in den Weg stellen. Das 19. Jahrhundert zeigte besonders eine Neigung zum Raumroman. Die großen Zyklen des 19. und 20. Jahrhunderts gehören fast alle zu diesem Typus. Man kann kaum annehmen, dass der Figurenroman nur aus den geistigen Grundlagen des 18. und 19. Jahrhunderts erwachsen ist. Im 17. Jahrhundert, im Zeitalter des Barock herrschte der heroisch-galante Roman vor. Er entstand in Frankreich, und suchte seine Vorbilder in der Geschichte und wird deshalb auch “historischer Roman genannt. Trotz der fremden Einkleidung schildert er Person und Ereignisse seiner Zeit. Eine wesentliche Erneuerung erfuhr der Roman in der Anfangszeit der Aufklärung, indem er politische Ideen aufnahm und so eine Gegenströmung zu dem heroisch-galanten Roman“ darstellt. Der eigentliche Roman der Aufklärungszeit ist jedoch der Familienroman. Übersteigerte Empfindsamkeit oder wilde Leidenschaft sind die Merkmale des Romans der Sturm - und - Drang - Zeit. Goethe löste mit den “Leiden des jungen Werthers“ eine Welle von Selbstmorden unter den Lesern aus. Der Roman der Klassik lehnt unkontrollierte Gefühle ab. Der Held findet durch Überwindung der Gefühle seinen Platz in der Gesellschaft. Kurz, aber um so heftiger, ist das Wirken des französischen Neutralismus für die neuen Strömungen des zwanzigsten Jahrhunderts. In diesem Jahrhundert nimmt der Roman einen ungeheuren Aufschwung, er wird zur bedeutendsten Literaturgattung, und die zahlreichen neuen Ausgaben “alter“ Romane beweisen, dass auch sie heute noch gerne gelesen werden.

 

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